Ziel der Zeilen sei, Sie anzuregen, ebenfalls diese Gesprächsvariante einmal praktisch auszuprobieren.
Die Quellen der Zeilen
Die ausgewählten Gedanken, sind das Ergebnis von vielen Gesprächen, aufmerksamen Zuhören und vielem Stöbern durch verschiedenste Bücher. Es waren Gespräche, in denen gestritten und debattiert wurde. Man versuchte Überzeugungen oder Macht durchzusetzen. In anderen Gesprächen, versuchten Menschen Wünsche, Begehren und eigene Erfahrungen mitzuteilen und in wieder anderen stand die Versöhnung oder das gegenseitige Verstehen im Zentrum.
Folgende Bücher bewegten mich, tiefer in den Zauber des Dialogs einzudringen. Eine kleine Auswahl sei aufgezählt: David Bohm, Buber, Zohar, Senge, R. Lay, Tausch und Rogers, Vester, Hartmut Rosa, Willi Lambert, Timothy Morton, Sokrates, Texte von Mystikern aus allen Teilen der Welt, Heinz von Foerster, Francois Julliens, Zeldin.
Aktualität des Dialogs
Von Menschen wird heute verlangt, ein Leben lang zu lernen. Der Dialog ist ein Weg des Lernens, der Begegnung, des Erfahrens und Hoffnung.
Weshalb greifen viele Motivationsaktivitäten in Unternehmen nicht, obwohl zahlreiche Fortbildungen in Bereichen wie Kommunikations, Rethorik oder Gesprächsführung veranstaltet werden?
Die meisten Aktivitäten verharren im Vermitteln technologischer Formate. Sie erreichen den Mitarbeiter nicht. Man redet lediglich zu und spricht nicht miteinander. Die „Seele“ fehlt. Die Funktion steht im Vordergrund.
„Das Wort stirbt, wenn wir es nicht teilen,“ sagte Tschingis Aitmatow.
- Wenn es, wie Wolf Lotter schreibt, um Zusammenhänge und die Kraft im Miteinander geht, ermutigt dann eine Gesprächsform, die nur vorträgt?
- Kann Recht zu haben, ein Miteinander zu sprechen anregen?
- Welchen Platz hat Kampfgeist im Dialog?
- Was wäre, wenn Menschen ihre Wahrnehmungspotentiale veränderten, um sich und andere besser zu verstehen?
Man erzählt, dass die frühen Griechen auf dem Marktplatz zusammenliefen und sich den ganzen Tag unterhielten. So lernten sie die verschiedenen Ansichten der am Gespräch Beteiligten kennen.
„Reden tut gut“
„Reden tut gut“, postulierte eine Werbung. Doch wir wissen, dass dem nicht so ist. Viele Gespräche tun gar nicht gut. Es ist, als hätten die Gesprächspartner Stacheldraht verschluckt.
- Weshalb halten sich Menschen bei Gesprächen so wenig an Diätvorschriften wie beim Essen.
Schon Aristoteles empfahl das Gespräch (rechtzeitig) abzubrechen und erst am nächsten Morgen fortzusetzen, um Völlerei zu vermeiden (Nikomachische Ethik).
Ich glaube, dass es in der heutigen Zeit nützlich ist, nicht das Reden, sondern den Dialog miteinander zu fördern. Ein Dialog vermag die Beteiligten zu vereinen, ohne die eigene Meinung aufzugeben. Er vermag die individuellen Gesichtpunkte herauszuschälen, um das Verstehen zu fördern. Der Dialog ist mehr als Informationsaussendung, Selbstdarstellung oder Appell.
Mein Traum
Es gibt tausende von Sammlungen, Seminaren und Vorträge, die Rezepte und Konzepte für Gespräche bieten, um Menschen zu überzeugen, vor Versammlungen zu brillieren, Erfolge zu generieren oder zu verführen. Und dennoch reden viele Menschen nicht miteinander und vermögen im Gespräch kein Vertrauen aufzubauen.
- Wie sollen dann fruchtbare Beziehungen beginnen, und man in Resonanz kommen?
Der Dialog ist keine Garantie. Er ist ein Abenteuer, bei dem es gelingen kann, dass wir gemeinsam eine Welt entdecken, die weniger bitter schmeckt und Vielfalt aufzeigen kann.
Das Wesen des Dialogs
Dialogos (griechisch): Logos heißt „Wort“ und dia heißt „durch“. Der Dialog versucht ‚durch das Wort‘ nicht nur allen Annahmen, die im Hintergrund wirken, auf den Grund gehen. Im Dialog geht es nicht um gewinnen. Ein Dialog kann von mehreren Personen geführt werden. Sogar ein Einzelner kann einen inneren Dialog führen. Er ermöglicht einen freien Sinnfluß zwischen den Teilnehmenden und ein neues Verständnis kann entspringen. Die Kraft des Dialogs kommt aus der Klarheit über die Annahmen und Denkprozesse hinter diesen Annahmen. Er geht dem Denkvorgang auf den Grund.
- Lohnt es im Gespräch vorzugeben, man habe verstanden, wenn man es nicht verstanden hat?
Ziel des Dialogs
„Ziel des Dialogs sei, dem Denkvorgang auf den Grund zu gehen. Wir denken, aber unsere Aufmerksamkeit gilt lediglich den Gedankeninhalt, nicht dem Vorgang an sich. Es ist wie mit einer Maschine, die wir einfach laufen ließen, ohne uns darum zu kümmern, sie würde über kurz oder lang nicht mehr funktionieren. Unser Denken ist ebenfalls ein Prozess, und der erfordert unsere Aufmerksamkeit, wenn nicht alles schief gehen soll.“ (David Bohm, Der Dialog)
Erkundungsprozess
Wie wäre es, wir sähen den Dialog als einen Erkundungsprozess, in dem Menschen versuchen, sich zu verstehen und mehr Aufmerksamkeit sich gegenseitig entgegen zu bringen. Ein Dialog ist ein Prozess der Hinwendung zum anderen.
Dialog gibt es schon seit Jahrtausenden. Sokrates führte einen Dialog, um ein Thema aus den verschiedensten Richtungen zu beleuchten. In den Council-Runden der Indianer, Treffen der Hawaiianer und einer Vielzahl von Naturvölkern wurden und werden noch heute auf diese Weise Alltagsthemen erkundet.
Zeldin schreibt über das Gespräch, „der gute Zuhörer erkenne die gemeinsame Grundlage eher in dem, was der andere annimmt, als in dem, was ersagt.“
Abgrenzung
In der Diskussion wird wie mit einem Perkussionsinstrument oftmals alles zerschlagen. Eine Diskussion ist fast wie ein Pingpong-Spiel bei dem die Teilnehmenden Meinungen vorschlagen und zurückschlagen. Das Ziel ist zu gewinnen. Das Spiel heißt gewinnen und verlieren. Das bedeutet nicht, dass Diskussionen nicht ihren angestammten Platz in Gesprächen haben. Doch unser Thema lautet „Der Dialog“ und nicht „Ich habe Recht“.
- Ist es möglich mit einem Mensch in eine aktive Interaktion zu kommen, wenn er auf seiner Meinung beharrt?
Heiß und kalt
Während in der Diskussion sich oftmals die Gemüter erhitzen und aneinander reiben, ist der Dialog darauf gerichtet für einen reibungslosen Erkenntnis-Fluss zu sorgen. David Bohm verwies als Physiker auf den absoluten Nullpunkt. Bei -273 Grad ist der Energiefluss durch einen Leiter reibungslos.
- Ist es für ein Gespräch förderlich, wenn Menschen die Sicherungen durchbrennen?
Im Dialog versuchen wir die Temperatur herunterzukühlen, um hitzige Auseinandersetzungen zu vermeiden. Das geschieht durch eine Reihe von Regeln, die unten vorgestellt werden.
Sich selbst besser verstehen
- Haben Menschen nicht eher eine Chance, Positives zu bewirken, wenn sie ihre eigenen Potenziale ubnd ihr Sosein besser kennen?
- Wenn die bisherigen Formen des Gesprächs keine Antworten für zahlreiche Themen der Gegenwart und Zukunft geben, wäre es dann nicht sinnvoll, eine andere Gesprächsform zu versuchen: etwa den Dialog?
Dialog schafft einen offenen Raum, der gegenseitiges Verstehen ermöglicht. Auch gesellschaftliche Themen, die weit weg scheinen, tragen doch so viel Nähe in sich, weil sie von konkreten Menschen mtieinander ausgetragen werden. Der Dialog kann auch ein Weg sein, sich selbst zu erforschen und die blinden Flecken im gemeinsamen Gespräch gespiegelt zu bekommen.
Resonanz
Resonanz bedeute gemeinsames Schwingen. Doch Resonanz entsteht nie dort, wo alles in reiner Harmonie ist. Der Dialog lebt im Spannungsfeld der Gegensätze, wo das Andere aufblitzt und zu Neuem führt. So vermag eine Transformation zu verwandeln.
Denken Sie an die Resonanzerfahrung in einem Musikstück. Damit meine ich nicht die Wohlfühlmelodien oder die Geräuschkulisse in Kaufhäusern, sondern die Musik, wo sich Dissonanzen und tonale oder rhythmische Spannungen verbergen und die Hörer und Musizierenden anregen und in gemeinsame Schwingungen versetzen.
Hier liegt eine Wurzel der Resonanzerfahrung, schreibt Hartmut Rosa. Es geht nicht um Verleugnen, sich passend machen. Es geht um die Tiefe des Verstehens, die uns in Resonanz versetzen kann.
Kernfähigkeiten des Dialogs
Damit ein Dialog gelingen kann, sind einmal mehr menschliche Fähigkeiten notwendig.
Die folgenden Punkte formulierten Hartekemeyer und Dhority. Diese Punkte sind auf einer weiteren Ebene für jedwedes Miteinander Sprechen nützlich.
- Eine Haltung eines Lernenden einnehmen: Erich Hoffer sagte: „In Zeiten des Wandels werden die Lernenden die Welt erben, während die Belehrten sich wunderbar an eine Welt angepasst haben, die es nicht mehr gibt.“
- Absoluter Respekt: Ich akzeptiere nicht nur, wer du bist, sondern versuche, deine Welt aus deiner Perspektive zu sehen und zu verstehen. Das reicht weiter als Toleranz. Es ist ein Baustein für Empathie.
- Offenheit: David Bohm sagt: Offenheit entsteht, wenn zwei oder mehrere Personen bereit seien, sich voneinander von ihren eigenen Überzeugungen zu lösen. Senge bemerkte, dass nur unter dieser Prämisse mit einem Problem produktiv umgegangen werden kann.
- „Sprich von Herzen“. Sage, was dich wirklich beschäftigt! Das meint nicht empathische Selbstauflösung. Diese ist kontraproduktiv.
- Hören: bedeutet Schweigen, Respekt, Zuwendung und Empathie zum anderen Menschen. Benedikt machte dies ca. 600 n. Chr. zur Grundlage der Ordensregeln. Erst Zuhören ermöglicht echte Begegnung. Sie zeugt von Aufmerksamkeit und eröffnet tiefere Wahrnehmen.
- Verlangsamen: Das geschieht zum Beispiel indem Einer nach dem Anderen spricht. Nur wer sich Zeit nimmt, kann Gedachtes beobachten und findet den Zusammenhang.
- Suspendieren von Annahmen und Bewertungen: Ruppert Lay fragte: „Was halten Sie alles für wahr, ohne es überprüft zu haben?
- Produktives Plädieren: Ich kann die Situation nur aus meiner Perspektive sehen. Diese ist durch meine „Filter“ bestimmt. Es gilt den Denkprozess, nicht das Denkprodukt des anderen zu erkunden.
- Erkundende Haltung üben meint, die andere Welt zu entdecken. Zu glauben, dass weitere Sichtweisen (Wirklichkeiten) möglich sind, öffnet das Universum.
- Den Beobachter beobachten. Wir sehen, wie die Beteiligten reagieren und denken. Das gelingt ebenfalls durch Verlangsamen. Wir hacken unsere Programme und Muster. Die Welt öffnet sich. Ein gemeinsames Denken entsteht.
Funktionale Hinweise
Hier werden ein paar praktische Hinweise zur Durchführung geliefert. Bewährt haben sich Metaphern, Bilder und Geschichten zur Einführung in diese Gesprächsform.
Die Teilnehmer sollten begreifen, was mit dem Dialog bezweckt wird. Es ist eine herausfordernde Gesprächsform, die auch vom Einzelnen Mut, Disziplin und Frustrationstoleranz einfordert.
Einladung und Eröffnung des Dialogs, wobei die Zeitdauer festgelegt wird. Ein Minimum von 2 bis 3 Stunden ist für 5-10 Teilnehmer angebracht.
Ein Begleiter ist bei unerfahrenen Dialogteilnehmern nützlich. Er nimmt nicht am Dialog teil, hat keinen Meinungsbeitrag und achtet auf den Prozessablauf.
Die Themen können vorher anonym abgefragt und vom Leiter auf Karten geschrieben werden. Sie werden in die Mitte der Runde gelegt.
- Keiner verlässt für die Dauer des Dialogs die Runde. Wer rausgeht, bleibt draußen.
- Es spricht der, der den Sprechstein hält. Wer den Stein hält wird nicht unterbrochen. Will er nicht reden, gibt er den Stein dem Nachbarn weiter.
- Sprich von Herzen!
- Fasse dich kurz!
Check-in
Allgemeine Hinweise durch Begleiter, dass es keine Diskussion ist, sondern Ziel durch den Redefluss einen gemeinsamen Sinn zu entdecken. Ablaufregeln vorstellen. Jeder kann in der Reihenfolge, die der rumgereichte Stein vorgibt, beim Check-In Fragen stellen.
Was bewegt mich, mich mit einigen Beiträgen auf den Karten zu beschäftigten?
Check-Out
Alle Stimmen werden nochmals gehört. Jeder kann ein Statement abgeben. Mein Erlebnis des Dialogs, ist mein Erlebnis. Ziel des Dialogs ist, sich auch mit der Verschiedenheit und Individualität anzufreunden.
Phasen des Dialogs
(nach William Isaac)
I. Phase (Instabilität in der Runde)
- Einstieg
- Miteinander reden (sich einander zuwenden)
- Überlegen (abwägen)
Anfängliche Krise
II. Phase (Instabilität in der Runde)
Suspendieren (Thema in der Schwebe halten)
Krise des Suspendierens
III: Phase (Erkundung in der Runde)
Dialog (Die Bedeutung kommt in Fluss)
Krise ( Erkenntnis der eigenen Begrenzung)
IV. Phase (Kreativität in der Runde)
Metalog (Bedeutung und Sinn entwickelt sich)
Manche Dialoge scheitern in der anfänglichen Krise. Es kommt zur Diskussion, logischer Analyse oder zur Debatte, wo die Meinung niedergeschlagen wird.
Zusammenfassung
Der Dialog sei nach David Bohm nicht eine Gesprächsform mitieinander, sondern solle ein Horizonte öffnendes Aufeinanderzugehen sein. Er ist ein gelungenes, die Teilnehmer mit neuen Erfahrungen und Erkenntnissen belohnendes Gespräch.
Entgegen Besprechungen, Meetings, „Video-Schaltungen“, geht es im Dialog nicht um jeweils bessere Argumente, Positionen zu verteidigen, Theorien zu zerpflücken oder Wissen zu vermitteln. Der Dialog will weiter gehen. Er will die Welt dahinter auch beleuchten und beobachten Und so komme ich wieder zum Beginn, es geht darum Zusammenhänge zu erkennen, Missverständnisse zu durchleuchten, zu einem gemeinsamen Verständnis zu kommen und im besten Fall auch zu akzeptieren.
Sie werden entdecken, dass der Konflikt nicht das Wesentliche im Leben ist und der Mensch nicht wie ein Tier ist, der sein Leben nur als Kampf ums Überleben und Beherrschen sieht. Der KOnflikt ist eine Chance, zu verstehen und Neues zu finden.
All dass setzt eine andere Haltung, ein erweitertes Menschenbild und Persönlichkeit vorraus.
Sie werden die Welt der Menschen als Suche nach Beziehungen und Sinn entdecken. Eine Welt, wo die wichtigsten, das Leben verändernde Ereignisse die Begegnung dieser Menschen sind, formulierte Theodore Zeldin.
KI und Dialog
Wo finden sich im Dialog-Gespräch von KI mit dem Menschen das Unhörbare und das Unbegreifliche, das Jenseits der Worte, das aber durchaus zu Fühlende?
Öffnet sich nicht gerade in diesen Bereichen die Seele?
Sprechen Sie gerne mit einem Textautomaten?
Ich habe wenige Antworten und viel mehr Fragen. Sie sprengen den Rahmen der hier vorgestellten Gedanken zum Dialog und seien einem eigenen Blog vorbehalten, der sich mit der Kommunikation zwischen Mensch und Maschine beschäftigen wird.