Vertrauen

von | Jan. 14, 2021 | Kommunikation, Selbstmanagement

Glauben-können und Vertrauen sind zwei von vielen Voraussetzungen für ein gelingendes Leben und Beziehungen. Menschsein spielt sich auch im Begegnen mit dem Anderen ab. Der Mensch ist auf Zuwendung hin ausgerichtet, schreibt Joachim Bauer.

Sich auf die Begegnungen einlassen zu können, bedingt unter anderem Vertrauen und Glauben-Können voraus: Vertrauen in den Menschen, die sozialen Gebilde und in Dinge oder Daten.

Wissen

Fast jegliches Wissen ist Wissen, das uns von anderen mitgeteilt wurde. Dieses Wissen ist wiederum zum größten Teil geglaubtes Wissen, das diese Menschen übernahmen. Das schließt nicht aus, dass Menschen sich täuschen oder getäuscht wurden.

Die Möglichkeiten das geglaubte Wissen dieser Menschen und der Informationen auf Richtigkeit zu überprüfen, ist in den überwiegenden Fällen nicht möglich. Vielfach nehmen wir an, dass uns der andere Mensch nicht täuschen will, weil er stimmig und kompetent erscheint.

  • Unterscheiden Sie selbst immer kritisch zwischen Wissen (aus eigener Erfahrung) und Glaubenswissen (gewonnen über Fremdkenntnisse)?

Vertrauen in Menschen und Sachen

Vertrauen bezeichnet einmal die feste Überzeugung von Verlässlichkeit und Zuverlässigkeit eines Menschen. Es gibt daneben auch ein Vertrauen in eine Sache. So können Sie in die Fahrtüchtigkeit Ihres Autos vertrauen oder in die Fachkompetenz eines Installateurs. Uns soll in diese Zeilen das Vertrauen in Menschen interessieren. Es gibt ein Vertrauen in andere Menschen oder das zu sich selbst: das Selbst-Vertrauen. Vertrauen ist weniger ein Charaktermerkmal, denn eine psychische Disposition. Es sei jedoch unbestritten, dass Vertrauen mit charakterlichen Merkmalen verknüpft sein kann. 

Selbstvertrauen

Selbstvertrauen ist ein lebenswichtiges Qualitätsmerkmal, das in ganz unterschiedlichen Formen und Stärkegraden auftreten kann. 

Bodamer („Vertrauen zu sich selbst“) meint, dass Selbstvertrauen, wenn es echt und solid ist, in verschiedenen Erlebnisbereichen fundiert sein muss. Vertrauen umfasst die Vitalität (Virginia Satir), die Seele (einmal Unterscheidbarkeit zum Leib, aber auch als transzendierende und spirituelle Komponente) und den Geist (Unterscheidbarkeit zum Körper hin). 

Sind die Bereiche Körper, Seele, Geist schwach entwickelt oder deren Gleichgewicht gestört, kommt es zu Erlebnisweisen, die zu Krisen in der Persönlichkeit und Leiblichkeit führen können. Ein „gesunder“ Menschen, ist bestrebt, das Selbstvertrauen laufend weiter zu entfalten. Selbstvertrauen bildet sich, wenn ein Mensch seinen eigenen psychischen und physischen Begabungen zureichend glaubt und auch neue Gegebenheiten schafft, wo er vermutet, dass er ihnen gewachsen ist. 

Ohne Mut kein Vertrauen

Ein Abenteuer beginnen erst, wenn Sie in einen steilen Abgrund stürzen oder sich in den dunklen Wald wagen. Dieser erste Schritt ist ein Akt des Vertrauens. 

Einen stimmigen Menschen zeichnet eine natürliche Risikofreudigkeit und Spontaneität aus. Wie sollte sonst Vertrauen als Vorausleistung geschenkt werden können, ohne gleich zu wissen, ob es erwidert oder enttäuscht wird. Vertrauenswürdigkeit bezieht sich überwiegend auf zurückliegende Erfahrungen. Das Risiko ist reduziert. Wir vertrauen.

Quellen des Wissens

Misstrauen ist dann angezeigt, wenn die Quelle unseres Wissens uns interessiert und  wir, ohne zu fragen, gläubig folgen. Interessen können, bewusst oder unbewusst, Informationen verändern, erzeugen, unterdrücken… Das römische Recht kannte den Spruch: „Traue niemals einer interessierten Quelle“.

Andererseits können wir in dieser Welt nicht leben, ohne solches geglaubte Wissen, ohne die Annahme, dass uns Andere nicht, zumindest nicht ohne Grund, zu täuschen beabsichtigen, selbst dann  nicht, wenn sie selbst sich täuschen sollten. Alle sozialen Systeme, die wir Menschen ausbilden, beginnend mit Freundschaften bis hin zu Großsystemen, haben nur Bestand, wenn Menschen einander glaubend vertrauen. 

Ein Glauben, der dieses Leben eher mindert als mehrt, ist ethisch kaum zu verantworten. Wir sind also den Menschen, mit denen wir eine Art symbiotischer Verbindung, eine biophile (lebensmehrende) Beziehung eingehen, ethisch verpflichtet. Da das Geglaubte für unser Handeln eine wichtige Rolle spielt, muss unser Glauben auch an der Mehrung deren Leben orientiert sein.

Vertrauen und Misstrauen

Wer die Anschaffung z.B: eines TV-Geräts überlegt und in ihren Vorteilen und Nachteilen gegeneinander abwägt, sieht normalerweise keinen Anlass, auch die Vor- und Nachteile der Nichtanschaffung eigens miteinander zu vergleichen. Das wäre dieselbe Liste mit umgekehrten Vorzeichen, schreibt Niklas Luhmann.

  • Was geschähe, wenn Sie bei einer größeren Anschaffung die Vor- und Nachteile der Nichtanschaffung durchspielten?

Funktionales Äquivalent

Wäre Misstrauen nur fehlendes Vertrauen, würde es sich kaum lohnen. Misstrauen ist jedoch nicht nur das Gegenteil von Vertrauen, sondern als solches zugleich ein funktionales Äquivalent („gleiches Ergebnis, gleiche Auswirkungen, Entsprechungen“) für Vertrauen. Das zeigt sich, wenn man auf die Funktion von Vertrauen achtet. Vertrauen reduziert soziale Komplexität, „vereinfacht also die Lebensführung durch Übernahme eines Risikos“ (a.o.O.). Das macht Misstrauen ebenfalls. Wie sollte es dann, funktional betrachtet, das Gegenteil sein?

Pathologie des Misstrauens

Wer sich weigert zu vertrauen, stellt die Komplexität wieder her bzw. die Unsicherheit wird nicht vom Vertrauen kompensiert. Ein Übermaß an Komplexität überfordert aber den Menschen und macht handlungsunfähig. Wer nicht vertraut, muss daher, um handlungsfähig zu bleiben, auf (funktional äquivalente) Strategien der Reduktion von Komplexität zurückgreifen. Er muss Erwartungen ins Negative überspitzen, muss in manchen Bereichen misstrauisch werden.

Wir wissen, dass negative Strategien wie das Misstrauen emotional zu Anspannung und weiteren körperlichen Phänomenen führen: der Rollenpartner wird zum Feind, man sammelt für Notfälle Kampfstrategien, Verzichtsstrategien, Handlungsoptionen für alle nur denkbaren Worst-Case-Szenarien.

Dabei geht nicht selten das Bewusstsein des Misstrauens verloren und die Reduktionsstrategien werden zu Lebensgewohnheiten und Glaubenssätzen, als Routine verselbstständigt. Misstrauen leistet somit Vereinfachung, oft drastische Vereinfachung. Wer misstraut, braucht mehr Kontrolle und mehr Information. Zugleich reduziert er die Informationsquellen, weil er ja vielem misstraut. Es werden nicht mehr Möglichkeiten und Lösungsräume geschaffen, sondern eher beengt. Nur wer mit Vertrauen und Misstrauen umzugehen weiß, hat die Möglichkeit die verschiedenen Möglichkeiten der Komplexitätsreduziereng nacheinander oder nebeneinander zu gebrauchen.

(weitere Ausführungen: Luhmann: Vertrauen, Kap.10 ff)

Vertrauen und Kommunikation 

Vertrauen ist möglicherweise das wirksamste Mittel, das es gibt, um ein Kommunikationsziel auf dem kürzesten Weg zu erreichen. Die Sprache vermag Vertrauensbildung beschleunigen.  Bedingung ist, man folgt keinem manipulativen Spiel. Man kommuniziert offen.

  • Wie sähe für ein Gespräch eine vertrauensvolle Kommunikation aus?

Wirkweise von Vertrauen in der Öffentlichkeit

Das Zusammenleben von Menschen in einem modernen Staat ist ein extrem kompliziertes System. Damit das sich gut entwickeln kann, wie es „unter normalen Menschen“ üblich ist, bedarf es des Vertrauenkönnens. Das scheint gegeben, solange die Menschen wissen, was Ehrlichkeit, Anstand und Wahrheit fordern: es muss ein Mindestmaß anVertrauen untereinander verwirklicht sein. Um das zu verwirklichen, gibt es nichts Besseres als Vertrauen in den Rechtsstaat….(Karl Popper, Die offene Gesellschaft und ihre Feinde I)

Dass das heute gegeben ist, darf  für viele öffentliche Bereiche und Institutionen bezweifelt werden. Was für unermesslichen Schaden verfehlte Ideologien oder irregeleitete Religionen verursachen können, zeigt uns auch die Geschichte.

Dennoch scheint mir eine offene Gesellschaft, in der wir leben, eine der besten , freiesten und gerechtesten, so sie weiterhin Kritik und Veränderungsfreudigkeit zulässt. Und Vertrauen ist die Basis für ein biophiles Zusammenleben im öffentlichen Raum, auch wenn mir bewusst ist, dass Vertrauen kein Selbstläufer ist, sondern fortwährend der Pflege und Erneuerung bedarf.

Vertrauen nutzen

Vertrauen erweitert die Handlungsmöglichkeiten im menschlichen Miteinander. Es hilft in neue Bereiche in Gesprächen und Interaktionen vorzudringen, von denen man zu Beginn nichts ahnte. Im Alltag werden Menschen oft unvermittelt mit verschiedenen Sachverhalten konfrontiert. Vertrauen hält uns handlungsfähig indem es vereinfacht. Wer anderen vertrauen kann, kann über sich hinauswachsen, weil er die Sicherheit hat, nicht hintergangen zu werden. Wird einem Menschen vertraut, stärkt diese Vertrauenszuschreibung auch den Selbstwert und die Persönlichkeit.

Schenken Sie vertrauen und vertrauen Sie. Man wird Ihnen glauben. Sie erhöhen ihren Selbstwert. Sie fühlen sich sicher.

Vertrauen Sie, aber nie unbeschränkt!

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