Überzeugen bedeute……
Überzeugungen meint (oft unbewusste) übernommene, gelernte, persönliche Erfahrungen, gewachsene Werte, Ziele, Prinzipien. Überzeugungen haben etwas Kognitives (=auf Erkenntnis beruhend). Sie verfolgen bestimmte Wünsche, Interessen und Absichten. Überzeugungen sind weniger an bestimmte Situationen gebunden und beziehen sich mehr auf die Person als Ganzes. Sie wurzeln tiefer in unserem Leben, bestimmen die Lebensform mit und haben großen Einfluss auf das, was wir tun, lassen, passend oder unpassend finden. (R.Lay)
Manipulieren
Menschen gegen ihren Willen zu steuern, bezeichnet man gemeinhin als Manipulation. Viele halten diese Verhaltensweise für verwerflich und dennoch scheint ein großer Teil unseres Wirtschaftens und Lebens sich genau in diesem Bereich zu bewegen.
- Weshalb also Mechanismen, die funktionieren, grundsätzlich verteufeln?
Es spricht nicht gerade für eine große kognitive Weisheit, grundsätzlich Möglichkeiten zu verwerfen, nur weil diese auch negativ verwendet werden können. Nicht zwangsläufig ist die Kunst des Überzeugens und Gewinnens immer verwerflich. Doch ist es für Menschen vorteilhaft, sich dieser Phänomene bewusst zu werden, um sie nutzbringend einzusetzen oder auch rechtzeitig zu bemerken, wenn sie selbst manipuliert werden.
Verhaltensbeeinflussung
Verhaltensbeeinflussungen zwischen Menschen laufen überwiegend unbewusst ab. Tröstlich ist, dass Menschen an Ihrer Persönlichkeit arbeiten können, um sich über negative Fremdbeeinflussung zu emanzipieren. Selbsterkenntnis ist ein wichtiger Schritt zu einer neuen, positiveren Erfahrung. Dazu benötigen Menschen den Spiegel des Anderen. Erst am Du wird das Ich sichtbar. Menschen können eigene psychische Antriebe nicht erkennen, schreibt Gerhard Roth. Der Andere kann ein Coach, ein Mentor, Freund, respektierter Mensch oder Begleiter sein.
Selbsterkenntnis
Die Selbsterkenntnis hilft, bei unlauteren Versuchen weniger gefährdet zu sein. Der Mensch ist käuflich. „Man kann nicht nicht manipulieren“, formulierte WS einmal bei einer öffentlichen Veranstaltung. Es ist für den Menschen lediglich eine Frage der ideellen oder materiellen Belohnung, um den Anderen zu einer Handlung zu bewegen.
Interesse und Wertschätzung
„Zeige grundsätzlich Interesse und Wertschätzung dem Gesprächspartner gegenüber“. Ohne eine wertschätzende Haltung, wird keine Beziehung und keine Überzeugung von Dauer aufzubauen sein. Ein Miteinander Reden wird nicht möglich, weil das Herz fehlt. Es ist wie eine Oper ohne Orchester.
Priming-Effekt
Mit dem „Priming-Effekt“ schaffen Sie eine gute Ausgangsposition. Er besagt, dass Menschen sich bei neuen Gedanken, Begegnungen oder Einschätzungen immer an dem orientieren, was kurz zuvor in ihrem Gehirn getriggert wurde.
- Was wären für ein konkretes Gespräch suggestive Triggerworte um Ihre Überzeugung annehmbarer für ihr Gegenüber zu machen?
Menschen merken sich besonders diejenigen Informationen lange, die sie direkt zu Beginn von einem neuen Thema erhalten. Streuen Sie also möglichst frühzeitig ein, was der Kontakt unbedingt im Kopf haben sollte. Antizipieren Sie! Die Forschung zeigt (Kahneman, Thinking fast and slow), dass Rationalität und Sachlichkeit nur äußerst selten etwas an der Meinung eines Menschen ändern. Gezielte intuitive Assoziationen aber um so mehr.
Mitgefühl
Mitgefühl meint nicht Mitleid, wie uns Rosenberg oder Singer verdeutlichen. Beim Mitleid geben Sie ihre Selbstkontrolle auf. Empathie und Alterozentriertheit helfen, sich eine Basis für Gehör zu verschaffen und ermnöglichen, Befindsamkeiten und Bedürfnisse des Gegenübers wahrzunehmen. Mitgefühl kann das erreichen und kann gelernt werden.
Bevor Sie mit ihrem Anliegen ins Haus fallen, sollte die „Festplatte“ des Gesprächspartners formatiert sein.
Gefühle der Sympathie
Sympathie öffnet Türen. Sowohl berufliche, private als auch politische Kontakte sind oft leichter geknüpft, als man vermuten würde. Die Verhaltensforschung weiß, dass wir uns viel leichter von jemandem überzeugen lassen, wenn uns diese Person grundlegend sympathisch findet. Alltägliche und phatische Kommunikation kann Sympathie ermöglichen. Doch es gibt auch Grenzen des Sympathieempfindens.
Zuwendung
Neurobiologe Experimente zeigten uns, dass Menschen lieber mit Menschen reden, die ein Gefühl der Zuwendung, Anerkennung und Wertschätzung zeigen. Alle diese Gefühle schütten beim Betroffenen „Wohlfühlbotenstoffe“ aus. Wer spircht nicht lieber mit Menschen, bei denen er sich wohl fühlt.
- Wie können Sie Ihrem Gesprächspartner Zuwendung, Anerkennung, Wertschätzung geben?
Andererseits treffen wir auch auf Menschen, die wir nicht „riechen“ können. Hier gilt, sich über die eigenen Gefühle zu emanzipieren, denn im beruflichen Alltag werden Sie immer wieder linkischen Menschen begegnen, die Sie nicht sympathisch finden, mit denen Sie sich aber arrangieren müssen.
Gegner erkennen
Die Erfahrung aus dem Alltag eines Verhandlungsprofis zeigte, dass nahezu jeder von uns hellhörig wird, wenn an unser Ego appelliert wird. Versuchen Sie die Gewissheiten und Wirklichkeit des Anderen durch Fragen zu erfahren. Indem Sie über die Gewissheiten (Die subjektiven Wahrheiten) des anderen Menschen sprechen, heben Sie dessen Ego. Sie lernen seine Entscheidungsmechanismen kennen, was bei der Meinungsbildung und des Überzeugens des Verhandlungspartners von großem Wert ist. Oftmals sind die Gründe dem Handelnden selbst gar nicht bekannt. Es gehört Menschenkenntnis, Lebenserfahrung und Gesprächspraxis dazu, diese subjektiven Wahrheiten zu erkennen.
- Kennen Sie die Gewissheiten ihrer Gesprächspartner*innen?
- Kennen Sie die Gewissheiten ihrer Beziehungspartner*innen?
- Kennen Sie ihre eigenen Gewissheiten?
Praktische Hinweise
Unter diesem Punkt seien eingie praktische Beipiele genannt werden, die Ihnen helfen leichter zu überzeugen.
1. Wiederholung
Gewohnheit hat Einfluss auf die Einstellung. Laufendes Wiederholen, um in Menschen Meinungen zu implementieren, nutzen seit Jahrtausenden Menschenverführer wie Demagogen und Populisten. Haben Sie den Mut, durch laufendes Wiederholen eine Aussage glaubwürdig zu machen. Wiederholen Sie, wiederholen Sie…..
2. Verblüffen mit Erkenntnis
Den Gesprächspartner über die Kognition wirklich zum Überdenken seiner Gewissheit zu bringen, besteht im Verblüffen. Jeder Mensch wird spätestens dann empfänglich für den argumentativen Input einer anderen Person, wenn er für sich einen persönlichen Nutzen und eine Belohnung sieht.
Sleight of Mouth können Menschen verblüffen. Die Methode eignet sich Überzeugungen auszuhebeln. Doch diese sprachliche Raffinesse bedarf gehöriger Übung.
3. Alterozentrierte Bedürfnisse
Bedürfnisse und Motive des Anderen zu befriedigen und dessen Probleme zu lösen, klingt selbstverständlich. Doch vielen Menschen fehlt eine alterozentrierter Haltung. Diese Menschen bleiben bei sich. Wie wollen Sie in der Gunst des Anderen steigen, so Sie nur bei ihrem Ego bleiben?
- Was sind die inneren Antriebe des Gesprächspartners?
- Legt er wert auf Sicherheit oder Neues und Abenteuer?
- Sind ihm Macht und Dominanz wichtig oder ist es eine Mischung verschiedener Motive und Bedürfnisse?
Bedienen der Bedürfnisse des Anderen bereitet eine Basis für ein vertrauensvolles Geben und Nehmen (Adam Grant).
- Wie können Sie Ihre Ziele mit der Befriedigung der Bedürfnisse des Anderen verknüpfen?
4. Wahrnehmung
Menschen denken, „Ja, ja, das weiß ich schon!“ Und damit bestätigen Sie genau Ihre eigenen bestehenden Erwartungen. Doch wo bleiben die Erwartungen des Anderen?
Das bedeutet:
a) Hinhören Stufe 1
erkennt die Welt des Anderen.
b)Hinhören der Stufe 2
blickt auf die Fakten. Schalten Sie ihre innere Stimme aus, die vielleicht sagt, das bringt nichts, das ist nicht interessant…
c) Hinhören der Stufe 3
spiegelt dem Sprecher zurück: „Ich weiß, wie Sie sich fühlen.“ Ohne Empathie, wird Ihnen das kaum gelingen.
d) Hinhören der Stufe 4
ist der globale Blick, der alles wahrnimmt und schöpferisch auf die zukünftigen Möglichkeiten gerichtet ist.
Wahrnehmen ist ein gemeinsames Entdecken und Wahrnehmen. Menschen fühlen sich grundsätzlich in Gruppen wohl. Das ist die Matrix gemeinsamer Willensbildung.
- Wie nutzen Sie diesen Effekt beim Überzeugenwollen?
5. Hege und Pflege
Um das aufgebaute Vertrauen zu halten und die neue Überzeugung zu implementieren, ist der Kontakt auch nach dem Ende der Verhandlung zu pflegen. Viele Menschen vergessen diesen Punkt und bleiben beim Antriggern (nudging) hängen. Unsicherheit ist beim Gesprächspartner die Folge und manch ein späterer Rücktritt (Kaufreue), manche Ablehnung der neuen Meinung oder Widerspruch kommt deshalb zustande.
Dialektik
Zum Schluss wird noch eine Kunst des Überzeugens kurz beleuchtet, um Sie anzuregen, sich auch in diesem Bereich zu schulen.
Dialektik ist A):
- Die Kunst, Überzeugungen auf andere zu übertragen,
- die Kunst, kommunikativ Probleme zu lösen.
Dialektik ist B)
die Kunst durch gemeinsamen Erkenntnisfortschritt:
- Konsens herzustellen,
- Probleme zu lösen.
Menschenachtung
Erwarten Sie keine Rezepte, die es Ihnen erlauben, etwas menschlicher miteinander umzugehen. Solche Rezepte sind meist nichts anderes als Ausdrucksweisen fundamentaler Menschenverachtung. Sie unterstellen, dass durch eine Reihe von Regelbeobachtungen und -verordnungen Menschlichkeit möglich ist. Dabei wird verkannt, dass Menschlichkeit eine Sache der Grundüberzeugungen eines jeden Menschen ist, die allerdings im Umgang mit anderen eine (dialektische) Einheit bilden. Das gilt für alle Weisen der Kommunikation und Rhetorik.
Bedingungen einer „interagierenden“ Einheit im Vertsändnis der Dialektik sind:
- Sie sind nicht miteinander identisch.
- Sie können nicht ohne einander sein.
- Veränderungen eines Elements bewirkt eine Veränderung aller anderen.
Ziel ist in diesem Kontext die bewusste und unbewusste „Kommunikation“. Das bedeutet, dass Veränderungen b e i A, automatisch auch die Umgangsweisen bei B verändert.
Das bedeutet für den interaktiven Vorgang des Überzeugens,
- dass jeder Mensch mit jedem anderen anders umgeht,
- dass der Umgang im Wesentlichen von den eigenen Grundhaltungen und der spezifischen kommunikativen Kompetenz wie auch der des Anderen abhängt,
- dass auch das Handlungsziel bestimmt, wie und welche Anteile der moralischen und kommunikativen Kompetenz von A und B aktiviert werden.
Deutungsrahmen
Wenn Überzeugungen das Miteinander bestimmen, sollte Menschen Ihre subjektiven Überzeugungen (Deutungsrahmen) kennen. So man seine eigenen Überzeugungen kennt, fällt es leichter, seine Emotionen zu steuern, denn werden diese Überzeugungen verletzt werden manche Menschen zum „Berserker“. Erinnern Sie ein eigenes Verhalten, wo „der Gaul“ mit Ihnen durchging. Sie werden bemerken, dass in Ihrem Inneren mit ziemlicher Sicherheit ein Grundwert oder eine Grundüberzeugung verletzt wurde.
Zum Schluss
Mit diesen Gedanken komme ich wieder zum Anfang. Ein großer Teil unseres Wirtschaftens und privaten Lebens besteht im Überzeugen anderer Menschen.
Der Weg des Tao denkt Gegensätze komplementär. Um die „rechte Mitte“ halten zu können, bedearf es der Auseinandersetzung.
- Wie wäre es, das Abgelehnte wie in China als Voraussetzung des Lebens an sich zu sehen. Die Gegensätze werden nicht als Widersprüche wie bei Aristoteles gedacht, sondern als ein ineinander Fließen?
- Welche Perspektiven ergäben sich bei diesem Balanceakt für ein Gespräch, in dem Sie überzeugen wollen oder müssen?